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Besichtigungsrecht auch bei „zart besaiteten Mietern!“

Paragraphen(ho) Der Wohnungsmietvertrag sieht ein anlassbezogenes Besichtigungsrecht in Klauselform vor. Anlässlich des geplanten Verkaufs der Immobilie verlangt Vermieter V den Zutritt zur Wohnung gemeinsam mit Maklern und Kaufinteressenten. Mieter M lehnt ab und beruft sich auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung. Werde besichtigt, dann ergebe sich für ihn daraus die Gefahr schwerwiegender Gesundheitsbeeinträchtigungen bis hin zu einer Lebensgefahr. V klagt auf Duldung. Erstinstanzlich wird der Klage stattgegeben, zweitinstanzlich wird sie aufgrund eines eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens abgewiesen.

Die Revision zum BGH ist erfolgreich (BGH, Urteil vom 26.4.2023 - VIII ZR 420/21, WuM 2023, 403).
Denn zugunsten des Vermieters bestehe eine vertragliche Nebenpflicht des Wohnraummieters, dem Vermieter nach entsprechender Vorankündigung den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund (hier die beabsichtigte Veräußerung der Wohnung) gibt. Diese Nebenpflicht sei aus § 242 BGB herzuleiten. Zusätzlich könne sich eine solche Pflicht aus einer entsprechenden Vereinbarung im Mietvertrag ergeben (zur Zulässigkeit eines nur anlassbezogenen Besichtigungsrechts in Form einer Formularklausel siehe bereits: BGH, Urteil vom 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13 –, juris Rn. 16). Denn angesichts der üblicherweise geringfügigen Beeinträchtigung durch die Besichtigung trete das Recht des Mieters aus Art. 13 Abs. 1 GG, „in Ruhe gelassen“ zu werden (dazu bereits BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89, 1, 23; BVerfG, Beschluss vom 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, NJW-RR 2004, 440, 441; BGH, Urteil vom 24.6.2014 - VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566 Rn. 18) hinter den aus Art. 14 GG geschützten Interessen des Vermieters, über sein Eigentum frei verfügen und dieses Bedarf veräußern zu können, zurück.

Anderes könne nur ausnahmsweise gelten, wenn der Mieter im konkreten Fall durch die Wohnungsbesichtigungen der Gefahr schwerwiegender Gesundheits-beeinträchtigungen oder gar einer Lebensgefahr ausgesetzt würde und deshalb in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1GG verletzt wäre. Trage der Mieter derartiges vor, so müsse dies durch eine besonders sorgfältige Prüfung innerhalb eines einzuholenden psychiatrischen Gutachtens und einer anschließenden Abwägung der widerstreitenden Interessen gewürdigt werden. Dabei seien zur Verfügung stehende Möglichkeiten einer Abmilderung gesundheitlicher Auswirkungen für den Mieter zu berücksichtigen. Diese Möglichkeiten könnten in der Durchführung der Wohnungsbesichtigung durch eine Vertrauensperson auf Seiten des Mieters oder durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt liegen.

Schlussfolgerung:
Mit der pauschalen Einlassung, man sei psychisch erkrankt, kann man sich einer verlangten Wohnungsbesichtigung auch dann nicht entziehen, wenn man daraus folgende Gesundheitsgefahren oder Lebensgefahren einwendet. Denn nirgendwo ist vorgegeben, dass der Mieter selbst bei der Besichtigung anwesend sein und seine Interessen dort selbst vertreten muss.

Nachzutragen ist:
Das in Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz verbriefte Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung besteht gegenüber dem Staat, nicht unbedingt drittwirkend unter Privatpersonen. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings bereits im Jahre 1993 das mietvertraglich eingeräumte Besitzrecht des Mieters (Hausrecht) als vermögenswertes Recht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG eingeordnet (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89, 1, 23).

© Dr. Hans Reinold Horst

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