Flächendefizit
I: Verjährung von Rückforderungsansprüchen wegen Mietminderung
(ho)
Das Mietverhältnis beginnt im Jahre 2014. Im Jahre 2021 erhöht
Vermieter V die Miete. Mieterin M lässt die Wohnung vermessen, um
den Ansatz der Fläche bei der Mieterhöhung zu kontrollieren.
Ergebnis: Die Wohnfläche ist um mehr als 10 % geringer
als die angegebene Wohnfläche. Deshalb macht M einen Rückerstattungsanspruch
im Hinblick auf die anteilig überzahlte Miete rückwirkend seit
Beginn des Mietverhältnisses geltend. V beruft sich auf Verjährung.
Die Berufungsinstanz geht von einem Beginn der Verjährungsfrist erst
mit der Vermessung der Wohnung im Jahre 2021 aus.
Der BGH sieht das genauso (Beschluss vom 17.10.2023 - VIII ZR 61/23,
MietRB 2024, 66 = WuM 2024, 135 ff). Der Rückzahlungsanspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung sei gegeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1
BGB). Die Wohnung sei mangelhaft, eine Mietminderung dadurch veranlasst
(§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn die tatsächliche Wohnfläche
weiche um mehr als 10 % von der angegebenen Wohnfläche nach unten
ab (ständige Rechtsprechung des BGH zur Wohnungsmiete: BGH, Urteil
vom 7.4.2004 - VIII ZR 146/03, MDR 2004, 933 = MietRB 2004, 254; zur Gewerbemiete
BGH, Urteil vom 4.5.2005 - XII ZR 254/01, MDR 2005, 975 = MietRB 2005,
259). Dieser Anspruch verjährt innerhalb der „Regelverjährung“
des § 195 BGB in drei Jahren (ebenso: BGH, Urteil
vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 30/10, NZM 2011, 627). Sie beginnt unter
anderem mit Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Forderungsgläubigers
zu den Tatsachen, aus denen sich der Anspruch ergibt (§ 199 Abs.
1 Nr. 2 BGB).
Nur durch den Bezug und die Nutzung der Wohnung habe die Mieterin M eine
solche Kenntnis weder erlangt, noch sei ihr diesbezüglich eine fahrlässige
Unkenntnis vorzuwerfen, so der BGH. Allein der optische Eindruck der Wohnung
oder das Ausmessen einzelner Wände vermittle dem Mieter eine konkrete
Kenntnis der Wohnungsmaße ebenso nicht (mit weiteren Nachweisen
zur Rechtsprechung und Literatur). Verjährung sei deshalb nicht eingetreten.
Ergebnis:
Rückzahlungsansprüche des Mieters wegen eines Flächendefizits
verjähren in der Regel erst in 10 Jahren (§ 199 Abs. 4 BGB).
Die Frist beginnt „mit der Entstehung“ des Anspruchs. Die
Überzahlung erfolgt jeweils in einem bestimmten Monat; ab dann gerechnet
verjährt der Rückzahlungsanspruch des überzahlten Mietanteils
10 Jahre später.
Nachzutragen ist:
Die Einrede der Verjährung ist dem Vermieter günstig. Folglich
muss er die Tatsachen vortragen und nachweisen, die dieser Einrede zugrunde
liegen. Das setzt voraus, dass er darlegen und nachweisen kann, dass der
Mieter die Wohnung bereits früher einmal ausgemessen und dadurch
bereits auch eher Kenntnis von den Flächenmaßen erlangt hat.
Das könnte sich aus der Tatsache ergeben, dass der Mieter selbst
Teppichboden oder Laminat verlegt hat. Denn dafür ist eine Vermessung
der Flächen erforderlich. Auch abweichende Flächenangaben in
Betriebskosten- und Heizkostenabrechnungen oder in Mieterhöhungsverlangen
können ein Argument für zumindest fahrlässige Unkenntnis
des Mieters sein (so ausdrücklich: Börstinghaus, Anmerkung zu
BGH, Beschluss vom 17.10.2023 - VIII ZR 61/23, MietRB 2024, 67) - mit
der Folge, dass die Verjährung dann entsprechend früher eintritt..
Lesetipp zu gegenseitigen Ansprüchen und Rechten im Falle eines
Flächendefizits: Broschüre „Mietminderung,
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© Dr. Hans Reinold Horst
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